Autor und Journalist

Rückkehr der Melancholie: Ein Streifzug durch die moderne Sehnsucht nach Authentizität in einer Welt der Beliebigkeit

Es gibt eine melancholische Melodie, die seit einigen Jahren in den Gesprächen der urbanen Gesellschaft wieder hallt, als wäre sie ein lang vergessenes Lied, das endlich wieder ans Licht kommt. Die Rede ist von der Sehnsucht nach Authentizität. Es ist ein altmodisches Wort, das plötzlich wieder modern geworden ist, ein Begriff, der aus dem Nebel der Gegenwart auftaucht und das Gefühl von Echtheit, Wahrhaftigkeit und Ursprung verkörpert. Man könnte fast sagen, dass die Forderung nach Authentizität im 21. Jahrhundert eine Art Ersatzreligion geworden ist. Die moderne Welt, getrieben von Konsum und Oberflächlichkeit, scheint unermüdlich nach dem zu suchen, was wirklich ist – und das, obwohl die Bedingungen, unter denen diese Suche stattfindet, von Beliebigkeit und Mittelmäßigkeit durchzogen sind. Authentizität als Konzept ist dabei längst nicht mehr nur eine philosophische Überlegung, sondern ein Wert, der in immer mehr Bereichen des Lebens eine zentrale Rolle spielt: sei es in der Mode, der

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Die Geometrie der Zeit: Wie die Zerstreuung der Zeitwahrnehmung in der digitalen Ära den modernen Menschen prägt

Früher oder später erreichen wir alle diesen einen Moment, in dem die Zeit zu verschwimmen scheint und ihre gewohnte Struktur verliert. Die Sekunden, die zuvor träge in linearen Bahnen dahinglitten, beginnen sich zu dehnen, zu stauchen, verschwimmen. Etwa zur gleichen Zeit wird auch unser Verhältnis zur Zeit zunehmend komplexer. Die Digitalität, so scheint es, hat die Geometrie der Zeit auf eine Weise verändert, die wir noch nicht vollständig begreifen können – eine Veränderung, die mehr ist als bloße Umstellung auf neue Technologien. Es ist eine neue Wahrnehmung, ein neuer Umgang mit der Zeit. Und es ist keine Erfindung, sondern eine Entwicklung, die von uns allen, unaufhaltsam, auch mitgebracht wird. In der Welt vor der digitalen Revolution hatte man ein ganz anderes Gefühl für den Ablauf der Zeit. Man musste sich nicht ständig zwischen Ereignissen hin und her schalten. Alles war langsamer, aber auch konzentrierter. Wenn man einen Brief schrieb, wusste

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Zukunftsangst im Post-Wahrheits-Zeitalter: Wie die Entwertung von Fakten und Wahrheit zu einer grundlegenden Verunsicherung der Gesellschaft führt

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier – das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Seit Jahrhunderten hängt unser Wohl und Wehe von Fakten ab. Tatsachen, die uns durch das Dickicht des Lebens führten wie ein sicherer Pfad im düsteren Wald. Wer sich in einem Gespräch über das Weltgeschehen mit der Behauptung begnügte, „ich habe gehört“, „man sagt“ oder „es könnte sein“, galt als uninformiert, wenn nicht gar naiv. Einfache Dinge wie „Die Erde ist rund“ oder „Der Himmel ist blau“ wurden nicht hinterfragt, sondern als allgemeingültige Wahrheiten akzeptiert – bis wir auf eine neue, radikale Idee stießen: die Post-Wahrheit. Es war wohl der erste Schrei der Post-Wahrheit, als im amerikanischen Wahlkampf 2016 der Begriff aufkam. Post-Wahrheit? Nun, es gab wahrhaftig eine Zeit, als der Begriff der Wahrheit in Politik, Wissenschaft und Gesellschaft etwas bedeutete. Eine Zeit, in der Lügen – wenn sie aufflogen – schamhaft entlarvt wurden. Doch

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Nihilismus trifft Utopie: Die unaufhörliche Suche nach einem besseren Leben

Die Generation der Gegenwart ist ein schwankendes Pendel, das, obgleich durch die Weiten der modernen Welt und die Strömungen der Gegenwartsmärkte unablässig hin und her geworfen, immer wieder auf eine zentrale Frage trifft: „Warum?“ Sie ist eine Generation, die sich durch die Paradoxie auszeichnet, einerseits alles zu hinterfragen, andererseits nicht zu wissen, woran sie sich halten soll. Sie bewegt sich zwischen Nihilismus und Utopie, zwischen der Verweigerung von Sinn und dem unaufhörlichen Drang nach einer besseren Welt. Es ist nicht zu übersehen, dass wir in einer Zeit leben, in der Ideale und Visionen – in ihren besten Formen einst treibende Kräfte der Geschichte – zu wackeligen, abstrahierten Konzepten verkommen sind. Die große Erzählung von Fortschritt, von einer klaren Linie zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, scheint in ihren Grundfesten erschüttert. Die Welt, die uns als die der unbegrenzten Möglichkeiten versprochen wurde, hat sich vielfach in ein knöchern zersplittertes Terrain verwandelt, in

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Vom Flimmern des Glücks: Wie die Jagd nach dem Glück in einer Überflussgesellschaft zu einem unaufhörlichen, nie erreichbaren Ziel wird

Die Jagd nach dem Glück hat etwas von einer niemals endenden Expedition. Der Suchende, ausgestattet mit nichts als seinen eigenen Vorstellungen, seinen Vorstellungen von einem Leben, das größer ist als das, was ihm die Welt bietet, nimmt seinen Weg auf. Wobei, und das ist die Crux, das Ziel dieser Jagd – wie das ewige Gelobte – immer vor ihm bleibt, nie wirklich erreichbar, nur als flimmerndes Versprechen am Horizont zu sehen. Es ist das Paradoxon des Glücks in der modernen Gesellschaft: je mehr man ihm nachjagt, desto weiter entfernt es sich. Und genau das, diese unablässige Distanzierung von dem, was man für das erträumte Glück hält, macht die Jagd so faszinierend. Die Suche nach dem Glück ist die wahre Quelle des Glücks – doch ein anderes Glück bleibt für immer unsichtbar. In einer Gesellschaft des Überflusses, in der das Angebot nicht nur an Waren, sondern auch an Emotionen und Erlebnissen

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Das Ende der großen Erzählungen: Wie das Auflösen von Metanarrativen zu einer Fragmentierung der Gesellschaft führt

Was, wenn wir in einer Welt leben, die sich nicht mehr um die großen Erzählungen dreht, sondern um das ständige Zerbrechen ihrer Fragmente, als ob die Geschichte selbst ein zersplittertes Spiegelbild wäre, das wir vergeblich zusammenfügen wollen? Was lange als sicher galt, das kollektive Band der Erzählungen, die uns miteinander verbanden, hat sich aufgelöst. Die großen Metanarrative sind in ihre Einzelteile zerfallen, und mit ihnen die feste Grundlage dessen, was wir als Gesellschaft betrachteten. Die Welt, so scheint es, ist in eine Million kleiner Geschichten zerbrochen. Diese Fragmentierung, die in den letzten Jahrzehnten verstärkt zu beobachten ist, stellt eine der tiefgreifendsten Veränderungen dar, die das gesellschaftliche Leben in der westlichen Welt geprägt haben. Man könnte sagen, dass das Ende der großen Erzählungen eine der großen Herausforderungen der Gegenwart ist. Noch vor nicht allzu langer Zeit war die Welt überschaubar, und das nicht nur im geographischen, sondern auch im ideologischen Sinne.

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Warum die fluiden Identitäten der Gegenwart in einer Welt der ständigen Selbstinszenierung so schwierig zu fassen sind

Man könnte sagen, die Identität der Gegenwart ist wie ein Spiegel, der in ständiger Bewegung ist – unaufhörlich flimmert und blitzt, sodass man nie genau weiß, was man sieht. Oder vielleicht, könnte man auch sagen, dass sie ein Chamäleon ist, das sich ständig neu erfindet, je nachdem, mit welchem Hintergrund es gerade konfrontiert wird. Und doch, was immer wir tun, der Versuch, dieses wankelmütige Gebilde zu fassen, bleibt eine unmögliche Aufgabe. Wer wir sind – so lautet die allgegenwärtige Frage – scheint immer wieder eine Antwort zu verlangen, die gerade dann entschlüpft, wenn man meint, sie zu haben. Die Wahrheit ist, dass unsere Identitäten heute flüssiger sind als je zuvor, sie sind nicht mehr die festen Konstrukte, die sie einst zu sein schienen. Früher, in einer Zeit, die uns heute fast nostalgisch erscheinen mag, war Identität etwas, das in den Grenzen von Herkunft, Status, Beruf und Geschlecht verankert war. Man

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Vom Mythos zur Simulation: Eine Analyse der Entfremdung im Zeitalter der virtuellen Realität und der allgegenwärtigen Simulation

Es war einmal eine Zeit, da war der Mensch der König der Welt, und die Welt war der Stoff, aus dem seine Träume gewebt wurden, ein endloser, nie endender Strom von Geschichten, Mythen und Metaphern. Doch heute, da der Mensch seinen Thron längst an Maschinen abgegeben hat, scheint die Welt nicht mehr der Stoff zu sein, aus dem seine Träume gewebt werden, sondern der Stoff, aus dem seine Simulationen sind. Dies ist die paradoxe Tragödie des 21. Jahrhunderts: Während die Technologien, die unser Leben bestimmen, uns die Welt in einer nie dagewesenen Intensität und Präzision vor Augen führen, entfernen sie uns zugleich von ihr. Nicht nur räumlich und zeitlich, sondern existenziell. Die Grenzen zwischen dem, was real ist, und dem, was simuliert ist, verschwimmen in einem Maße, dass man sich fragt, ob der Mensch in seinem eigenen Leben noch zu Hause ist, oder längst zu einem Gast in einer Welt

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Die Anarchie der Individualität: Warum das Streben nach Authentizität in einer pluralistischen Welt zu immer mehr Konflikten führt

Es ist schon fast ein Witz: Je mehr wir uns als einzigartig, unverwechselbar und authentisch definieren, desto mehr gleichen wir uns in unserem Drang, uns selbst zu finden. Wer den Spiegel in dieser Zeit anschaut, sieht nicht nur sein eigenes Gesicht, sondern auch das vieler anderer, die sich ebenfalls in einer Welt verfangen haben, in der das Streben nach Originalität zur Norm geworden ist. Was wäre das Leben, wenn es keinen einzigen Moment gäbe, in dem wir uns nicht selbst feiern können? Wenn sich nicht jede Geste, jede Entscheidung und jedes Outfit zu einem Manifest der eigenen Selbstverwirklichung entwickelt? Wohl kaum ein Konzept ist in der heutigen Gesellschaft so überstrapaziert und doch so wenig verstanden wie das der Authentizität. Was bedeutet es eigentlich, authentisch zu sein? Für den einen ist es das, was man tut; für den anderen, was man sagt, und für wieder andere schlicht das, was man empfindet.

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Postmoderne Erschöpfung: Vom Überdruss an Poststrukturalismus bis hin zur Wiederkehr von Metanarrativen: Ist die postmoderne Epoche am Ende?

Die postmoderne Epoche, jene goldene Ära der Zertrümmerung von Wahrheiten und der dekonstruktiven Freiheitsgelage, hat sich inzwischen fast so erschöpft wie der Mensch, der in den 80er Jahren jeden Sprung in den leeren Raum der Bedeutung als ein Fest der grenzenlosen Möglichkeiten verstand, nur um jetzt, Jahrzehnte später, auf den steinigen Pfad der Erkenntnis zurückzufinden, dass diese Unendlichkeit doch nicht so befreiend war, wie erhofft. Wo stehen wir also heute, wenn das Versprechen der postmodernen Freiheit, das Verschwinden der festen Bedeutungen, die Verflüssigung der großen Erzählungen, irgendwann zu einem zähen Mangel an Erzählbarkeit geführt hat? Inzwischen sind wir an einem Punkt angekommen, an dem der wache Beobachter fast mit einer Mischung aus Nostalgie und Ärger feststellt, dass das Versprechen der postmodernen Theorie, das ewig Unfertige zu feiern, inzwischen in einer Gesellschaft mündet, die zwischen der Flut von Fragmenten und einer schier unüberschaubaren Zahl von Perspektiven nach einem Halt sucht. Wo

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Zur Person

Der studierte Soziologe begann seine journalistische Laufbahn in den turbulenten Zeiten des Deutschen Herbstes. Diese Erfahrungen weckten in ihm ein tiefes Misstrauen gegenüber Ideologien. Als Lektor, freier Autor und Redakteur für eine Vielzahl von Medien trug er seinen Teil zur deutschen Medienlandschaft bei. Seine Beiträge reichen von Buchbesprechungen und Glossen bis hin zu scharfsinnigen Beobachtungen des politischen und gesellschaftlichen Alltags. Schmitts Texte zeichnen sich durch eine Mischung aus tiefgründiger Reflexion und präziser Formulierung aus – stets kritisch und mit einem klaren Blick auf die Welt.

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